Die Geschichte der Pferdekopfgeige

Über die Pferdekopfgeige

Die Morin Khuur, die Pferdekopfgeige, gehört zu den ältesten Musikinstrumenten der Welt und steht symbolisch für die weiten Steppen der Mongolei. Die zweisaitige Geige besteht aus einem trapezförmigen Resonanzkörper und ihr langer Hals endet in einem geschnitzten Pferdekopf. Die Saiten des Instruments und auch die Saiten des Bogens werden traditionell aus den Haaren eines Pferdeschweifs gefertigt. Ihr melancholischer Klang untermalt seit Jahrhunderten die Einsamkeit der mongolischen Steppe. Ihre Töne klingen so zauberhaft und schön wie die Geschichte ihrer Entstehung:

Die Geschichte der Pferdekopfgeige

Tief im Osten der Mongolei lebte ein junger Mann namens Namdshil. Doch niemand nannte ihn bei seinem richtigen Namen. Alle Welt kannte ihn als Kuckuck oder auch Khökhöö-Namdshil. So rief man ihn, weil er so wunderbar singen konnte, dass jeder reitende Mann, der ihn hörte, von seinem Pferd absaß und jeder stehende Mann sich sofort setzte, um ihm in Ruhe zuhören zu können. Namdshil der Kuckuck war ein Schafhirte und wenn es nach ihm gegangen wäre, so hätte er sein Leben sehr gerne damit verbracht, seine Schafe zu hüten und zu singen. Doch wie es nun einmal so ist, kam alles anders. Eines Tages brach ein großer Krieg aus und der Khaan rief alle jungen Männer zum Militärdienst. So musste auch Namdshil der Kuckuck in den Krieg ziehen.
Namdshil wurde weit in den Westen des Landes in den Kampf geschickt. Und dort, weit entfernt von seiner Familie und seinen Freunden, blieb er viele Jahre lang. Während dieser Zeit lernte er ein Mädchen kennen – es war die Tochter des dort ansässigen Fürsten. Namdshil der Kuckuck verliebte sich in das Mädchen. Jeden Abend sang er für seine Liebste und die wundersamen Melodien schlichen sich in das Herz der Prinzessin und sie erwiderte Namdshils Liebe von ganzem Herzen.  Doch als der Krieg zu Ende ging, nahte für die Liebenden die Zeit des Abschieds. Namdshil freute sich darauf, seine Eltern und seine Freunde in der alten Heimat wieder zu sehen, doch der Gedanke daran, seine Liebste zurück zu lassen, brach ihm das Herz. Aber die Fürstentochter wusste Rat. Am Abend ihres Abschieds schenkte sie Namdshil ein geflügeltes Pferd und sprach: „Kein Weg wird dir zu weit auf dem Rücken dieses Pferdes. Fliege auf ihm zu mir jede Nacht. Doch hüte das Geheimnis seiner Flügel gut. Verstecke sie tagsüber unter einer Decke.“
Und so machte sich Namdshil auf den Weg in seine Heimat. Er wurde herzlich willkommen geheißen. Alle freuten sich, dass der Kuckuck wohlbehalten von seinem Militärdienst zurückgekehrt war und wieder für sie singen konnte. Namdshil verbrachte seine Tage damit, die Schafe zu hüten und des Nachts flog er auf dem Rücken seines geflügelten Pferdes zu seiner Liebsten in den Westen. Wenn er im Morgengrauen zurückkehrte, band er das Pferd vor seiner Jurte an und legte ihm eine große bunte Decke über den Rücken, so dass niemand sein Geheimnis entdecken konnte.
So ging es eine ganze Weile. Doch gab es ein Mädchen in Namdshils Stamm, dass in den jungen Hirten und seine schöne Stimme verliebt war. Als sie merkte, dass Namdshil ihre Liebe nicht erwiderte, begann sie, ihn zu beobachten. So stellte sie fest, dass der Kuckuck jeden Abend seine Jurte verließ und sie sah, wie er die Decke vom Rücken seines Pferdes nahm und Nacht für Nacht davonflog. Das Mädchen ahnte, wo es ihn hintrug und eine schreckliche Eifersucht ergriff von ihr Besitz. So nahm sie sich eines Morgens, nachdem Namdshil sein Pferd wieder vor seiner Jurte angebunden hatte, eine große Schere, schlich zu dem Pferd, zog ihm die Decke vom Rücken, schnitt ihm die Flügel ab und stahl sich wieder in ihre Jurte zurück. Das Pferd aber starb und als Namdshil wieder aus der Jurte kam, fand er es nurmehr tot vor.
Namdshil war von tiefer Trauer erfüllt. Nie wieder würde er seine Liebste sehen. Er hatte das wertvollste verloren, das er besaß.
Der Kuckuck war so unglücklich, dass ihn nicht einmal sein traurigster Gesang hätte helfen können und dass er meinte, er könne nie wieder auch nur einen einzigen Ton singen. Da schnitt er seinem toten Pferd ein paar Haare aus dem Schweif und schnitzte einen Klangkörper mit einem langen Hals, der in einem Kopf endete, der ein Abbild des Antlitzes des geflügelten Pferdes war. Die Schweifhaare spannte er als Saiten auf das seltsame Instrument. Dann setzte sich Namdshil unter einen Baum und strich sanft die Saiten der ungewöhnlichen Geige. Er spielte seine ganze Trauer mit diesem Instrument und heraus kam eine Melodie, die an das Galoppieren und Wiehern eines Pferdes erinnerte und die so schön und traurig klang, dass jeder reitende Mann, der sie hörte, von seinem Pferd absaß und jeder stehende Mann sich sofort setzte, um in Ruhe zuhören zu können.

Pferdekopfgeiger Bat-ochir Araanz am 20.10. in Berlin

Wer die traumhaften Klänge der Pferdekopfgeige einmal aus der Nähe hören möchte oder mehr über die Geschichte der Morin khuur erfahren will, der kann am 20.10.2017 Bat-ochir Aaranz, den bekanntesten Pferdekopfgeiger der Mongolei, auf der Bühne der Konzerthalle der UdK in Berlin erleben. Am 25.10.2017 hält Araanz zudem einen Vortrag über die Entstehung und Entwicklung der Pferdekopfgeige an der Humboldt-Universität.

Konzert Classic meets Steppe
am 20.10.2017 im Konzertsaal der UdK Berlin
Beginn 20:00 Uhr
Konzertsaal der Universität der Künste Berlin
Hardenbergstraße 33
10623 Berlin-Charlottenburg

Mehr Informationen und Tickets unter:


Vortrag von Araanz Bat-ochir:  
Die mongolische Pferdekopfgeige: Entstehung und Entwicklung
am 25.10.2017, 18:00 bis 20:00 Uhr
Humboldt-Universität Berlin
Institut für Asien- und Afrikawissenschaften, Zentralasienseminar
Invalidenstr. 118
Raum 507
10115 Berlin


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